Jack Kerouac – On the Road

Diese Woche habe ich „On the Road” gelesen, im Urlaub, wie passend. Nachdem wir zwei Tage mit Zwischenübernachtung nach Österreich gefahren waren, dachte ich mir, dass Kerouacs Epos des Hin- und Herfahrens vielleicht eine ganz passende Lektüre wäre. Fehlanzeige.

Angekündigt auf dem Klappentext als one of the most important books of our century, wurde ich auf ganzer Linie enttäuscht. Kerouac erzählt schlecht. Er hat eine nur ansatzweise tragende Idee davon, wovon sein Buch handeln könnte: Von Dean und seiner Beziehung zu Ich-Erzähler Sal. Diese Beziehung drückt sich vor allem in gemeinsamen Autofahrten quer durch die USA von New York nach San Francisco aus. Dean fährt, Sal berichtet, was Dean tut. Dean tickt aus, fährt wie ein Wahnsinniger, Sal berichtet. Sie gehen saufen, Sal berichtet. Dean nimmt Drogen, Sal berichtet. Dean nimmt Frauen aus und macht ihnen Kinder, Sal berichtet. Sal berichtet und merkt nicht, was für ein Schwachkopf Dean ist. Er übernimmt gar von ihm die Angewohnheit, Frauen sitzen zu lassen. Und bei all dem laufen sich ständig rund ein Dutzend Charaktere über den Weg, saufen und huren miteinander und laufen sich am nächsten Halt der Hetzjagd wieder über den Weg.

Das Problem des Buches ist, dass Kerouac das Gefühl, on the road zu sein, gut darstellen kann: Die erste Reise Sals allein nach San Francisco ist hervorragend. Doch bei den Reisen von Küste zu Küste kommen Kerouacs Charaktere immer irgendwann an und müssen umkehren, um wieder auf die Reise zu gehen, getrieben von einer unbändigen Rastlosigkeit. Dadurch gelingt es Kerouac, immer wieder lesenwerte Abschnitte über die Reise zu schreiben. Die Passagen jedoch, in denen Kerouac seine Helden umkehren lässt oder ihnen unterwegs eine Pause gönnt, sind immer schlecht: Langweilig, uninspiriert, unlogisch, unglaubwürdig. Und wenn ihm gar nicht mehr einfällt, lässt er Leute von unterwegs nachreisen, damit die selbe alte Clique wieder zusammen saufen kann.

In diesem Buch reduziert sich die gesamte Existenz der Hauptpersonen auf Autos aufreißen, Mädels aufreißen und saufen. Und Geschwafel. Am Ende war ich es einfach Leid, schon wieder zu lesen, wie Dean und Sal sich wieder mit Ed und Roy und wem auch immer voll laufen lassen. Das bittere Ende ist verdient, aber selbst das bleibt seltsam uninspiriert.

Es ist ein Phänomen, das bestimmte Bücher einen Zeitgeist treffen, egal, worum es geht oder wie gut sie auch sein mögen. Kerouac traf 1957 einen Zeitgeist. Heute nicht mehr.

Ein historisches Buch.

© Matthias Bode und non volio 2003

Links.
Eine Seite des US-amerikanischen National Public Radio aus der Serie "Present at the Creation" über "On the Road". Eine vergleichsweise positive Rezension hier. Kerouac hat den ganzen Roman auf Endlospapier getippt. Eine Geschichte der Schriftrolle gibt es hier bei LiteraryTraveller. Dort gibt es auch eine Reihe weiterer Artikel, darunter einen, wo jemand die Reise wiederholt.