Philipp Kerr - Esau


Wieso sollte hier an dieser Stelle ein Paperback-Thriller eines Paperback-Thriller-Autoren besprochen werden? Weil Esau von Philipp Kerr eben ein guter Paperback-Thriller ist.

Ein Profibergsteiger entdeckt im Himalaya einen Schädel, der ausgesprochen merkwürdig ist. Beinahe menschliche Aspekte und daneben Details, die eher an einen Gorilla denken lassen. Ein neuer Vertreter des menschlichen Stammbaums? Seine Freundin, Paläoanthropologin in Berkeley, entdeckt, dass dieser Schädel wahrscheinlich kein Fossil, sondern rezenten Ursprungs ist - das Lebewesen muss in unserer Gegenwart noch gelebt haben. Die Suche nach dem Yeti beginnt...

Ein Buch für Männer: Die Männer sind alle gut, groß, stark und haben interessante Lebensläufe. Die Frau (ja, nur eine!) ist auch gut, sieht auch gut aus, geht mit dem Helden gern ins Bett und lässt ihm sonst alle Freiheiten. Jede Menge technisches Spielzeug runden sie Sache ab: "Bei so etwas möchte ich auch mitmachen", mag Mann denken.

Die Suche nach dem Yeti allein hätte außer Kälte und Lawinen kaum genug Action für einen Thriller geboten. So lässt Kerr die üblichen Verdächtigen aufmarschieren: Die CIA und deren finstere Pläne, ein irrer Agent und ein drohender Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan sorgen für Spannung. So bekommt der Leser natürlich einen veritablen Verräter präsentiert, den selbst zu entdecken einen Teil der Spannung des Buches ausmacht. Und der, den man die ganze Zeit im Verdacht hatte, ist sogar einer, aber ein anderer als man denkt.

Den Reiz des Buches machte für mich aus, dass Kerr offensichtlich alles über den Yeti und viel über die menschliche Abstammungsgeschichte gelesen hat. Seine Geschichte ist nicht allein reißerische Action, er nimmt sich vielmehr die Zeit, den Leser in die wissenschaftlichen Hintergründe seines Themas einzuführen. Bisweilen zwar etwas langsam, aber immerhin. Seine These zum Yeti ist hanebüchen, aber wenigstens in sich stimmig.

Nur wenige Thriller haben kein Thema aus den USA oder aus dem Dunstkreis der CIA. Michael Crichtons Jurassic Park war einer davon. Kerr braucht den Vergleich nicht zu scheuen. Eine absurde Grundidee, interessante Handlung an einem entlegenen Ort und ein nachdenklich stimmendes Finale machen das Buch aus.

 Eine nette Wochenendlektüre.

© Matthias Bode, 2003