Das Cover der Bluejacket-Ausgabe   The Pre-Astronauts. Manned Balloning on the Threshold of Space - Craig Ryan
Wow. Der Atem stockt beim Lesen. Wenn es etwas gibt, was einfach nur noch cool ist, dann ist es das, was Joe Kittinger 1959 tut: Er steigt im Rahmen eines Projektes der US Air Force mit dem Ballon Excelsior III auf 103000 Fuß - das sind 30km - Höhe. Und dann steigt er aus und fällt. Fünf Minuten im freien Fall, dann öffnet er den Fallschirm. Der Rekord steht noch: Erster und bislang wohl auch einziger Mensch, der die Schallmauer im freien Fall durchbrochen hat. Höchster Fallschirmsprung. Erster Mensch im, nun gut, quasi- oder de facto-Weltraum. Erster Mensch, der dabei die Erdkugel als Kugel gesehen hat. Und dabei den atemberaubendsten Fallschirmsprung aller Zeiten hingelegt hat.
Dieser Abschnitt ist der Höhepunkt des Buches, das es zu besprechen gilt. Craig Ryan schlägt einen Bogen von den ersten Ballonversuchen der Air Force zu den Großtaten Kittingers bis zum Ende des Projektes und schließt mit einigen Bemerkungen zu Nachfolgern und Versuchen, Kittingers Rekord einzustellen.

Kühl und sachlich erzählt, mit einem Sinn für Humor und Detail, erschließt dieses Buch einen vergessenen Teil der Geschichte der Eroberung des Weltraumes. Vor Gagarin, Shepard und Glenn und wie sie alle heißen, waren diese Männer das Weltraumprogramm. Zum Teil gegen den Widerstand der Bürokratie in der Air Force versuchen eine Reihe von engagierten Männern wie Dr John Paul Stapp, David Simons und Joe Kittinger den Weg nach oben in den Weltraum, um sie herum u.a. eine Reihe deutscher Emigranten. Dabei gingen sie von der Annahme aus, dass es in den Weltraum selbst noch etwas dauere, dass es höchst gefährlich sei, Männer in Kapseln auf Raketen zu schnallen, und dass man vielleicht vorher mal schauen sollte, ob denn so ein Raumanzug und ein mögliches Rettungsgerät wie etwa ein Fallschirm auch funktionieren. Weiterhin war es ihre Überzeugung, dass es viel billiger sei, zunächst einmal Stratosphärenforschung mit dem Ballon zu machen, als in teure Wegwerf-Raketen zu investieren. Doch die politischen Realitäten des Kalten Krieges und des Wettlaufs ins All bedeuteten, dass für eben diese teuren Wegwerf-Raketen genug Geld da war, dass sich um Rettungssysteme für die Astronauten, alles Militärpiloten, kaum jemand Gedanken machte, und es eben alles schnell gehen musste. Und so blieb Kittingers unglaublicher Fallschirmsprung ein Einzelfall. Niemand folgte ihm, die amerikanischen Astronauten bekamen keine Fallschirme und brauchten sie auch niemals. Aber sie blieben auf Raketen geschnallt und die beiden Shuttle-Unfälle mit der Challenger 1986 und der Columbia 2002 zeigen, dass es fatal ist, sich keine Gedanken über Rettungsgerät zu machen.

Drei Ergebnisse wurden für das Weltraumprogramm der NASA gesichert: Zum einen die Erfindung des Druckanzugs, dann die Auswahlkriterien für die Astronauten, und schließlich die Druckkabine. Hier allerdings wurden wichtige Lektionen bei der NASA vergessen, denn bereits die Ballon-Gruppe hatte entschieden, dass es zu gefährlich ist, eine reine Sauerstoff-Atmosphäre in der Kapsel zu verwenden. Genau dies geschah aber bei Apollo 1, was den Tod der drei Astronauten Chaffee, Grissom und White zur Folge hatte. Erst danach wurde wieder auf die Ergebnisse der Ballon-Versuche zurückgegriffen.

Schade ist, dass die Bebilderung (zumindest meiner Ausgabe von Bluejacket Books) etwas schwach ist. Einziges inhaltliches Manko von Ryans Buch ist die Tatsache, dass er den sowjetischen Fallschirmversuchen in dieser Richtung nur einen kurzen Seitblick gönnt. Etwas mehr hätte der Darstellung gut getan. Aber das war sicherlich schwierig zu realisieren, und so bleibt das Buch eine ungeheure Fundgrube an Informationen.

Links
CAPTAIN JOE KITTINGER, A REAL LIFE BALLOON PARATROOPER !

Balloonmeister - Joe Kittinger

Joseph Kittinger

Cheryl Stearns versucht den Rekord zu brechen: Infos unter www.stratoquest.com

In der Folge "Extreme Risk" der 6. Staffel der Star Trek Serie Voyager springt B'Elanna Torres aus dem Orbit mit dem Fallschirm - zumindest auf dem Holodeck.

Am Anfang des Films Star Trek Generations ist eine Szene, in der Kirk aus dem Orbit springt. Allerdings ist sie für die Kinofassung geschnitten und nur auf der DVD-Fassung unter Deleted Scenes zu finden.

Suborbitales Fallschirmspringen könnte bald noch auf eine ganz andere Weise Wirklichkeit werden, wenn man der Webseite von Canadian Arrow Glauben schenken will.


© Matthias Bode @ non volio 2004