Es ist nicht leicht ein Gott zu sein,
und die Brüder Strugatzki beweisen das auf eine sehr
eindrückliche Weise in diesem Science-Fiction-Klassiker, der
eigentlich unter die Rubrik "SF für Historiker" fällt.
Der "Gott" des Titels, dem es nicht leicht fällt, einer zu sein,
ist ein raumfahrender Historiker, von einem Forschungsinstitut der Erde
ausgesandt wurde, auf einem fernen Planeten die Entwicklung der
Gesellschaft zu beobachten. Dabei gilt für sie die Regel, sich
nicht entscheidend in den Lauf der Dinge einzumischen, wohl aber durch
kleinere Aktionen hier und da dem Fortschritt zu dienen. Das Dilemma
Antons (ohne Nachnamen), der vor Ort als Don Rumata auftritt, besteht
nun darin, dass die Zeit, in der er sich aufhält, eine
außerordentlich brutale ist. Ein ungeheuer dreckiges Land,
stumpfsinnig und verroht, wird von einer rücksichtslos brutalen
Regierung beherrscht, für die Massaker ein legitimes Mittel der
Politik sind. Was tut man nun, wenn man mit der Technik und dem Wissen
einer raumfahrenden Zukunft ausgestattet ist, in einer Kultur am
Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit? Es klassisches
Zeitreise-Dilemma, wobei die Strugatzkis es mit dem Kniff der
Beobachtung einer fremden Kultur vermeiden, sich mit den Problemen von
Zeitreise-Geschichten herumzuplagen.
Vor diesem Hintergrund ist klar, warum das Buch als "SF für
Historiker" angesehen werden muss. Die Autoren sind belesen und sie
lassen es die Leser wissen. Ihre Darstellung des Landes, in dem die
Handlung abläuft, ähnelt strukturell dem Frankreich der
Religionskriege des 16. Jahrhunderts. Dem entsprechend denken die
menschlichen Beobachter auch darüber nach, ob der Gewaltherrscher
die Rolle Richelieus einnehmen kann und damit den Absolutismus
vorbereiten kann. Sollte dem so sein, müssen seine Taten dann wohl
oder übel als notwendige Opfer einer Modernisierung hingenommen
werden. Nur dauerten die französischen Bürgerkriege recht
lange, waren verlustreich und die Bartholomäusnacht war nicht das
einzige Massaker in jenen Jahren. Obendrein gab es noch keine Duschen
und keine moderne Zahnhygiene. Wie müßte sich ein moderner -
zeitreisender - Besucher
jener Jahre fühlen? Er wird wohl, ähnlich wie Rumata im Buch,
früher oder später vom Ekel gepackt, Ekel vor dem Gestank der
Straßen, dem Körpergeruch, dem Müll, Ekel vor dem
sinnlos brutalen Sterben auf den Straßen. Ein Historiker heute
weiß, dass die Zeit danach besser war, aber mittendrin machte es
bestimmt keinen Spaß. Und das sieht Rumata genauso und hadert mit
seiner Beobachter-Rolle.
Die Autoren spielen mit Karl Marx' Annahme von der
gesetzmäßig ablaufenden Geschichte. Denn ohne den Glauben
daran könnten die Beobachter gar nicht wissen, dass sie sich am
Übergang von der Herrschaft des Adels zu der des Bürgertums
befinden. Unter dieser Voraussetzung jedoch erkennen Rumata und seine
Kollegen Formen und Strukturen wieder, wissen, was dem Lande
blüht, wenn sie nicht wenigstens ein paar Wissenschaftler und
Künstler retten, wissen, dass die "Grauen Rotten" nicht weiter als
faschistische Sturmtrupps wie die SA sind, wissen, dass die Tage der
kleinbürgerlichen "Grauen" gezählt sind und sie in einer
echten Diktatur des "Schwarzen Ordens" über die Klinge springen
werden.
Und so wird die Betrachtung einer Kultur auf dem Stand des
europäischen 16. Jhdts.
unversehens zu einer Auseinandersetzung mit dem Faschismus.
Science Fiction ist mehr als Raumschiffe und Aliens. SF kann immer
wieder vertraute Sehweisen umkehren, Gewohntes gegen den Strich
bürsten und beim Nachdenken helfen. Und das tun die Brüder
Strugatzki hier mit einem Minimum an dem, was sonst der altgewohnte
SF-Klimbim ist.