Non Volio Dossier
Beryl
Markham - Westwärts mit der Nacht (West with the Night)
Ein
Buch
über eine Pilotin in Afrika? Noch dazu in den 20er und 30er Jahren
des 20.
Jahrhunderts? Klingt merkwürdig. Ist es auch. Aber es ist vor
allem eines: Ein
Relikt einer untergegangenen Epoche. Europa
stand in den 20er und 30er Jahren, ohne es zu ahnen, vor dem Ende. Jene
Zeit
waren geprägt vom Donnergrollen am Horizont, dass sich für
uns in der Rückschau
ausnimmt wie die unvermeidbare Vorgeschichte zum Zweiten Weltkrieg.
Doch an
vielen Stellen der Welt konnte man dieses Donnergrollen ignorieren.
Einer
dieser Orte war Kenia. Britisch-Ostafrika, wie es in den Zeiten der
Weltreiche
und Kolonien noch hieß. Mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen
Folgen auch für
Großbritannien ist dieses koloniale Afrika untergegangen.
Merkwürdig fremd
erscheint uns deshalb heute ein Buch wie "Westwärts mit der
Nacht", in dem
selbstverständlich von der britischen Regierung berichtet wird,
vom Aufbau des
Landes durch die Weißen, fraglos die Diener-Rolle der
Einheimischen formuliert
und das Hohelied der Elefantenjagd (zum Vergnügen!) gesungen wird.
Dieses
Kenia war ein magischer Ort, ein literarischer Ort: Bewohnt von
großartigen
Afrikanern und ebenso großartigen Weißen, erscheint es in
Beryl Markhams Buch
als Hintergrund, vor dem alle wichtigen Leute nur drei Dinge im Kopf
haben:
Pferde, Jagd, und Flugzeuge. Beryl Markham interessiert sich für
alle drei
Dinge und die Leute, mit denen sie zu tun hat, natürlich auch: Sie
berichtet von
ihrer Jugend auf einer Farm irgendwo im Rift Valley, von ihrer Zeit als
Trainerin für Rennpferde, von ihrer eigenen Pilotenlizenz und den
Abenteuern,
die sie als Pilotin in Ostafrika erlebt. Und wie
bei einigen wenigen anderen Bücher jener Zeit wird der
bemerkenswerte Horizont
Europas jener Zeit deutlich. Ihr Buch handelt in Nebensätzen ab,
dass ihr Vater
nach der Pleite seiner Farm nach Peru gehen wird und sie mit 18 allein
in Kenia
zurückläßt. Dass ihr Vater nach seiner Zeit in Peru
nach Südafrika geht. Dass
sie britische Pferde importieren, dass der beste Jäger Ostafrikas
natürlich
Schwede ist, Baron Blixen, Ehemann jener (Dänin!) Tania Blixen,
die mit Buch
und Film "Out of Africa"
bekannte wurde. Der jenes Buch
dominierende Dennis Fynch-Hatton taucht auch bei Beryl Markham auf -
auf einer
halben Seite.
Westwärts mit der Nacht ist ein seltsamer Titel - und ein
unpassender obendrein. Denn er betrifft nur ihren - allerdings zu recht
berühmten - Atlantikalleinflug von Ost nach West 1936. Sie flog
tatsächlich westwärts mit der Nacht, und weil sie langsamer
war als heutige Düsenmaschinen war sie tatsächlich die
längste Zeit des Fluges im Dunkeln. Diese Passage stellt einen
eindringlichen Kontrast zum Rest des Buches dar: Wenn sie sonst von
Hitze und Savanne in Kenia berichtet, ist es jetzt die nasse Kälte
des Nordatlantik. Sachlich, ja fast gelassen, berichtet sie von
Motoraussetzern irgendwo über den schwarzen Wellen in der
schwarzen stürmischen Nacht des Atlantik. Dem Tode
gleichmütig ins Auge sehen - sei es nun hier 1936 oder
dreißig Jahre früher, als sie ein Löwe anfiel. Beryl
Markham erscheint - und stilisiert sich selbst - als unerschrockene
Heldin ihres eigenen Lebensepos.
Andere vor uns haben es schon bemerkt, und dennoch kann ich es hier
wiederholen: Für ein gutes Buch kann es auch eine falsche Zeit
geben. "Out of Africa"
erschien 1937, als Europa noch im Frieden lebte und sich noch für
Exotik begeisterte. Markhams Buch erschien in den USA 1942, in England
1943 - schlechtere Jahre für diese Autobiographie kann man sich
kaum vorstellen. Und so ging ihr Buch in den Kriegswirren unter. Auf
miesem Papier gedruckt, in den kleinen Zeitungen kaum erwähnt,
fand sich kaum jemand, der es lesen wollte. Außer Hemingway. Dem
hat es gefallen.
Und noch etwas haben andere schon vor uns bemerkt: In den zwei
Biographien über Beryl Markham (die sich in der Beantwortung der
Frage unterscheiden, ob sie das Buch selbst geschrieben hat)
erfährt
man Dinge über sie, die sie selbst in ihrer "Autobiographie" nicht
erwähnt: Ehemänner und Kinder zum Beispiel. Aber die sind
eben nebensächlich, verglichen mit dem, was wirklich wichtig ist
im Leben: Afrika, Jagen, Pferde, Fliegen...
Und so bleibt das merkwürdige Faktum zurück, dass Beryl
Markham nur ein Buch in ihrem Leben geschrieben hat. Dieses hier. Nach
dem Krieg ging sie zurück nach Kenia, wo sie sich wieder den
Rennpferden widmete. Sie starb 1986.
Und was können wir lesen, wenn wir "Westwärts mit der Nacht"
beiseite gelegt haben? Karen Blixens "Jenseits
von Afrika" zum Beispiel für das
Vorkriegsafrika, das das Buch beschreibt. Oder Hemingways "The Snows of Kilimandsharo". Oder
etwa "Nachtflug" von Antoine
de
Saint Exupery für den Nachtflug über dem Atlantik. Oder
"Wind, Sand und Sterne" vom
selben Autor für die wunderbaren
Passagen des Fliegens. Oder "Nirgendwo
in Afrika" von Stefanie Zweig
für die Kindheit eines europäischen Kindes auf einer Farm in
Kenia.
Links
Zur Person:
http://www.leicesterandleicestershire.com/Beryl_Markham.htm
http://www.karenblixen.com/gale.html
Zum Buch:
Eine
Besprechung
Eine
weitere Besprechung
Author and Hero In
West with the Night
By Robert Viking O'Brien. In: The Journal of African
Travel-Writing,
Number 1, September 1996 (pp. 14-23)
© Edgar Lösel und non volio 2004